Dienstag, 25. August 2009

Legasthenische Akzente und norwegisches Teleshopping


Als Hochdeutscher legt man in skandinavischen Ländern in der Regel eine gewisse linguistische Überheblichkeit an den Tag und giggelt dreist: „Dänisch? Haha, das hört sich ja arg urig an und Schwedisch ist ja so was von drollig, und Norwegisch erst – das ist ja wie Deutsch mit legasthenischem Akzent!“

Dänisch und Schwedisch kann ich gar nicht, Ich gebe aber zu: Norwegisch sieht auf den ersten (aber trügerischen, wie sich im Laufe der vorliegenden Betrachtung noch zeigen wird!) Blick schon so aus, als hätte man einen deutschen Erstklässler mit Lamyfüller bewaffnet von der Leine gelassen: Kvalitet ist Qualität, Witz heißt vits, chor heißt kor und Beton betong.

Aus einem unterhaltsamen Teleshopping- Prospekt zitiere ich einige Angebote, um beispielhaft den komischen Charakter der norwegischen Sprache noch einleuchtender zu illustrieren:




Ein Neseharklipper klippt das nesehar!


Ein Snorkestopp stoppt das Rumgesnorke!

Nun trug sich vor einigen Tagen jedoch ein Ereignis zu, dass den angesichts solcher fidelen Buchstabenarrangements arrogant kichernden Hochdeutschen eines besseren Belehren sollte:
Ein kleines Mädchen namens Evi zwickte im nordnorwegischen Tromsö so arg der Magen, dass sie ihre müden Glieder aktivierte und sich zwecks Nahrungsbeschaffung auf die Suche machte nach einer Lebensmittelkette.
Unsere sympathische Heldin fühlte sich nach einem Jahr Uni-Sprachkurs linguistisch gewappnet und flötete wohl artikuliert einen norwegischen Jogger an: "Unnskyld, jeg leter etter supermarket! Kan du hjelper meg?“ Hjelpen konnte der Jogger theoretisch schon, praktisch brach die Kommunikation aber an dieser Stelle ab, denn der Jogger sagte unterlegt von wilden, aber missverständlichen Gesten für Evis Ohren ungefähr Folgendes: "Äu öu hü jo leg eta huk supermarket!" Oder so ähnlich. Dann verschwand er in einem wilden Wald, um Wale zu schlachten oder was weiß ich.

Da dies eine Fabel mit Realitätsbezug war, gibt es auch eine Moral der Geschichte und die ist dreiteilig:
1- Allein in Norwegen gibt es mehr Dialekte als Einwohner!
2- Treibt die norwegische Sprache den Hochdeutschen theoretisch in Lachanfälle, zwingt sie ihn praktisch in die Verzweiflung!
3- Ahnungslos arrogant ist derjenige Hochdeutsche, der überhebliche Gedanken produziert und sich angesichts von skandinavischen Sprachen (außer Finnisch, das ist eine ganz andere fremdartige Geschichte, auf die ich näher eingehen könnte, aber nicht will) prustend auf dem Boden kringelt!


Auch Evi, die attraktive Heldin der Fabel, suchte innerlich trist weiter nach einer Lebensmittelkette (Unter uns: Ich finde, dass dieses Wort allein allen Dänen und Schweden und Norwegern und meinetwegen auch Finnen die Berechtigung gibt, sich bei jedem deutschen Satz wegzuschmeißen, als ginge morgen die Welt unter).
Und dann regnete es langsam aber sicher aus dem grauen Himmel heraus und Evis Schuhe wurden ganz nass und sie fühlte sich ganz allein in diesem Land, in dem es mehr Dialekte als Einwohner gibt. Nein, Pustekuchen! Weil Evi eine sympathische Heldin und deshalb eher eine Frohnatur war, rappelte sie sich flott wieder auf und sprang orientierungslos aber quickfidel einfach solange durch Tromsö, bis sie einen Supermarkt fand.
Erst als sie an der Kasse im Supermarkt für 200 Gramm Billigparmesan (dringender Sägespäneverdacht!) 7 Euro bezahlen sollte, wurde sie wieder trist und weinte einige Tränen auf günstigen Butterkäse, auf dass dieser so salzig wie Parmesan schmecke.


Das war ein schöner Endsatz, aber weil schön langweilig ist, gibt es noch einen Servicetipp für den geneigten Leser, damit dieser nicht ungeneigt wird, kurzen Prozess macht und eiskalt abwandert:



SERVICETEIL AM ENDE

Ich möchte an dieser Stelle noch den bereits zitierten zwielichtig ominösen und deshalb interessanten Teleshopping-Prospekt empfehlen, der nicht nur snörkestop und neseharklipper, sondern auch allerlei andere garantiert nutzlose Dinge wie antigra harlotion gegen graues Haar und einen vibrierenden saunamassasjebelte, den man sich zwecks Fettverbrennung umschnallen kann, feilbietet.
Wer sich mal mit einem gräulichen Präsent an einem arroganten Hochdeutschen oder einem anderen Feind rächen will, dem sei die Internetpräsenz des Teleshopping-Prospekts ans Herz gelegt: www.nyttig.no. Dass „nyttig“ in deutscher Sprache nützlich bedeutet, ist das Maximum an unfreiwilliger Ironie. Und unfreiwillige Ironie ist die amüsanteste unter allen Ironien.

Takk for i dag!

1 Kommentar:

  1. Die Stelle mit dem beweinten Butterkäse gefällt mir besonders gut!

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