Dienstag, 18. August 2009

extreme-actions, Kautabak und vorspiel

18/08/2009



Das Wort töff wird in Norwegen oftmals im Sinne von cool benutzt. Übersetzt ins Deutsche bedeutet es eher hart, taff. Taffe Typen sind in Norwegen also die coolsten Megachecker.

Die norwegische Töffität spiegelt sich in lauter sinnfreien extreme-actions (Dieses Wort bitte so aussprechen wie in einem Kinderwerbespot auf Super-RTL, wo aufgeregte männlich- animalische Stimmen mit amerikanischem Akzent Jungs aus sozial schwachen Familien geil machen auf Monstertrucks (der männliche Akademikernachwuchs ist auch scharf auf den Plastikmüll, seine Eltern verweigern ihm den Spaß in der Regel aus pädagogischen Gründen und werfen ihm stattdessen überteuerte Holzklötze mit Filzüberzug hinterher)).







Ob Norweger Monstertrucks mögen, weiß ich gar nicht. Aber auf jeden Fall mögen sie lauter andere pikierende extreme-actions: So teilt das norwegische Volk nicht nur eine tiefe Verehrung für einen Mann, der auf Häuserdächern Ski fuhr, sondern schiebt sich mit einem komplett tätowiertem Griffel auch gerne Kautabak zwischen die Beißer, badet bei Minusgraden nackt (aber das urgewachsene 20-Meter-Brusthaar verdeckt sowieso alle Intimitäten) in irgendwelchen Wildseen und hört während dieser beeindruckenden extreme-actions permanent experimentellen Death Metal.



Auch im Umgang mit Alkohol spiegelt sich die sinnfreie Töffität der norwegischen Gesellschaft: Am Wochenende wird in Norwegen solange gekippt, bis man irgendwann dasselbe tut und rotzevoll an einer Straßenecke einschläft. Dabei meint der norwegische Staat es doch so wohl mit der Gesundheit seiner Einwohner! Es gibt auch in Tromsö unter der Woche ab 6 kein Bier mehr zu kaufen. Im Supermarkt wird Bier (Härteren Sprit muss man sowieso in speziellen staatlichen Spiritousengeschäften erstehen) abends brav mit einem dezenten Vorhang verdeckt, der Gedanke dahinter: Wird einem Menschen was Begehrliches verweigert, will der das ja auch gar nicht mehr haben! Weil aber diese pädagogische Logik noch nie Geltung besaß (schließlich spielt auch der Akademikernachwuchs jenseits aller sozialen Grenzen bei seinem Freund Kevin heimlich mit den Monstertrucks), stellt sich kein moderater Drogenkonsum ein, sondern es herrscht eine ganz gegenteilige „Wenn(ich) schon (im Supermarkt mindestens 4 Euro/ Flasche zahle ), denn (will ich)schon (auch ordentlich was davon haben) – Mentalität. Außerdem bin ich als Norweger so töff, dass ich sowieso trinken kann wie Hulle.



PÄDAGOGISCHER EINSCHUB OHNE BAUKLÖTZE ZUM VERSTÄNDNIS NORWEGISCHER KULTUR:

Was sind vorspiel und nachspiel?

Das, was in deutscher Jugendsprache heutzutage„Vorglühen“ heißt (als ich jung war, gab`s dieses Moderwort noch nicht!), beschreibt im Norwegischen - und jetzt kommt eine ganz große Fidelität - das deutsche Lehnwort „vorspiel“. Auch wenn sich vielleicht gewisse Parallelen ziehen lassen, mit Sex hat das inhaltlich erstmal nichts zu tun, aber eben schon mit Alkohol. In Norwegen gibt es analog (ich glaube, ich benutze „analog“ hier falsch – ich mag dieses Wörtchen aber doch so gerne!) zum vorspiel auch ein nachspiel: Nach erfolgreicher Kneipen-/Club-begehung stiefelt man nach hause, um im Kreis der Lieben (damit ist nicht die Familie gemeint, sondern die wirklich Lieben!) ordentlich weiter zu trinken.




Am Wochenende spielte ich (natürlich im streng norwegischen Sinn!) mit einem Norweger vor. Der Norweger trank fünf Bier, ich in derselben Zeit eine Cola mit Rum. Ich nippte an der Limonade, der Norweger kippte Wodka pur. Ich wollte ein Glas Wasser, der Norweger rammte sich Kautabak in den Kiefer.

Ich wollte auch so gerne ein wenig töff sein! Also schmiss ich ein bisschen die Cola um und trank ein Schlückchen Wodka und biss auf eine Winzigkeit Kautabak: Meine Backe wurden von innen mit brennenden Säuren verätzt, ein modrig-erdiger Geschmack feierte eine Party auf meinem Zungenplateau – Ich fühlte mich töff!


Auch im Club konsumierte der Norweger enthusiastisch weiter: Ich kaufte angesichts der Preise (umgerechnet 6 Euro für 0,4 Liter ! Ich muss durch autogenes Training o.ä. irgendwie lernen, das auszublenden!) zurückhaltend ein Bier. Er bestellte erstmal drei davon, trank diese dann in insgesamt einem Schluck aus und erzählte dabei begeistert von lauter unglaublich töffen Aktionen; seinen neuesten Tattooplänen, seiner Alkoholvergiftung beim dänischen Roskilde-Festival usw. Auf dem Rückweg bahnten wir uns den Weg durch lauter betrunkene Norweger, die den Boden vollständig bedecken - ich übertreibe an dieser Stelle nur der Realität angemessen - und ich passte auch ordentlich auf, ja auf keinen draufzutreten.


Statt in deutscher Tradition auf dem Nachhauseweg noch einen Frühstücksdöner zu shoppen und sich dann müde, betrunken und kautabakmäßig vernebelt ins Bett fallen zu lassen, folgte zuhause das Nachspiel in norwegischer Tradition: So ein Norweger verträgt soviel, das ist unglaublich. Nachdem er schon ordentlich nachgespielt hatte, schlug er arglos vor, gleich noch in die ölhalle zu gehen – das ist eine Kneipe in Tromsö, die morgens um 9 Uhr extra für die feierfreudigen Norweger aufmacht (ihr tolerantes Motto: Wir bedienen jeden, der noch stehen kann!) – wenn das nicht töff ist, weiß ich auch nicht weiter.

Ihr mögt euch wundern: Eva ist erst so kurz in Norwegen, wie soll die jetzt schon wissen, wie der Norweger an sich funktioniert? Das kann die doch noch gar nicht, werdet ihr sagen. Kann sie aber doch. Sie ist nämlich sehr schlau.


In meiner Nachbarschaft wird gerade laut Zirkusmusik gesungen (nicht gespielt) – das muss man sich mal vorstellen!


Takk for i dag!


Diskussionsrunde: Was findet Ihr töff? Ist die Steigerungsform von töff töff-töff? Hattet Ihr als Kind einen Monstertruck?

Bitte kommentiert (das ist jetzt auch technisch ohne Anmeldung möglich)!

3 Kommentare:

  1. Ich bin ja auch Akademikernachwuchs und fand es natürlich sehr untöff, dass ich nur Holzspielzeug hatte. Aber mein Kevin hieß Andre.

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  2. Marina die töffe18. August 2009 um 18:58

    oh man eva! was ein wochenende! sah der typ auch aus wie janove? wenn wir nämlich an ihn ranwollen heißt es töffiger (!) werden und saufen, saufen, saufen. oder alkoholfreies bier mit schmuggeln. nein, pfui, das is eklig.

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  3. Anna vom ZDF-Praktikum23. August 2009 um 12:31

    Ich hatte eine Olesja und eine Christina und bei denen gab es ALLES. Bei mir gab es nicht nur Holzspielzeug, aber viel so Kram, ja.
    töff-töff finde ich ne super Steigerung. Ich werde das in meinen Wortschatz aufnehmen.
    Zirkusmusik... ich erinner mich da gerne an meinen Mitbewohner, der meinte er sei ein DJ und müsse jedes Lied nur ca. 30sec anspielen. Und wenn man sich gerade daran gewöhnt hatte mal wieder Backstreet Boys Schnulzen zu hören, dann wechselte er auch schon zu dem schlimmsten norwegischen Schlager, der sich ungefähr wie schlechte Karnevalsmusik anhörte... und mitgegrölt hat er den natürlich auch... Zusätzlich muss man sagen, dass er auch nur eine Liedauswahl von ca. 15 Stücken hatte...

    Liebe Eva, ich lese dich sehr gern, weiter so, ich schau gern wieder vorbei! Ha det godt!

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