Sonntag, 6. September 2009

Rock`n Roll für die Zunge und ein Snoop Dogg Millionaire

Manche Sachen funktionieren im Kopf nicht miteinander. Zum Beispiel kann ich mir nicht vorstellen, dass sich Lakritz (Rock`n Roll für die Zunge!) und Schokolade (pelziger Romantikschlager für den Gaumen!) kulinarisch verstehen. Wirft so ein Süßwarenproduzent beides zusammen, kommt nichts Gutes heraus.



...und dann auch noch Zuaten aus ökologischem Anbau! Stil geht anders.



Weil in Norwegen selbst Naturgesetze wie Schwerkraft oder Lichtgeschwindigkeit außer Kraft gesetzt sind (nein, sind sie nicht – aber wie interessant wäre das!), verwundert es auch nicht weiter, dass sich in Tromsö dauernd Eriegnisse zutragen, die mit der Wirklichkeit noch weniger vereinbar sind als jede Lakritz-Schokoladen-Fusion.


Am vergangenen Wochenende fand hier nämlich das Dögnvill-Musikfestival statt. Dieses machte sich lineupmäßig ziemlich frei von lästigen Genregrenzen (und auch manch betrunkener Besucher machte sich frei; habe noch nie so viele behaarte Rücken gesehen). Das Ticket für das Festival hätte ziemlich genau 100.000 Euro gekostet, aber weil Evi sich bei der hiesigen Studentenzeitung auf mangelhaftem Englisch engagiert, bekam sie nicht nur einen tollen Presseausweis , sondern mit dem auch umsonst rein.

Von Jung bis Alt war alles am Start, von Opa und Oma bis zu frisch geschlüpften Babys (die waren am betrunkensten und hatten ergo auch die behaartesten Rücken!). Und um allen Generationen musikalisch entgegenzukommen, waren die Festivalhighlights ohne Rücksicht auf gegenseitige Genreverletzungen ziemlich querbeetig ausgesucht worden. U.a. traf man an:


-Alexander Rybak: Beängstigender Schwiegermuttertraum, der in diesem Jahr für Norwegen den Eurovision-Songcontest gewonnen hat. Sieht aus wie aus einem Streichelzoo ausgebrochen. Geigte rotwangig durch die Gegend und machte Kapriolen wie eine Bergziege auf Speed. Wird von vielen Norwegern leidenschaftlich gehasst.



...können diese Augenbrauen lügen und was will der Backroundtänzer nur von Alexander?



-Mortrox/ Betablock: Gegenstück zu Alexander Rybak. Lokale Deathmetalband, Durchschnittsalter der Mitglieder: 15. Evi ging das Herz auf und über, als die knuffigen Wikinger headbangten! Sie war sehr angetan und würde eher dem wilden babyspeckigen Bassisten durchs lange Haar streichen als dem Streichelzooausbrecher Alexander Rybak.


Und dann kam am Abend natürlich noch der Headliner. Und der war das Beispiel für das Außerkraftsetzen der bereits erwähnten Kopflogik, weil nämlich Snoop Dogg in Tromsö auftrat! Für die älteren Leser: Das ist ungefähr so, also ob die Rolling Stones in einem deutschen 50 000 –Einwohner Kaff spielen würden. Und dieses Kaff hat dann einen Namen, der eindeutig impliziert, dass man hier (und jetzt Achtung: Es kommt ein Lieblingsausdruck) nicht tot überm Zaun hängen will. Also solche Städte wie Northeim, Kreiensen, Gustavsburg etc.


Die Absurdität gipfelte in dem Moment, als der selbsternannte Doggfather die Bühne betrat. Megagangster Snoop Dogg (mit Kifferaugen, so rot wie wilde Ameisen) kam also auf die Bühne geschlunzt mit so einem Bling-Bling Mikrofon, auf dem sein Name in riesigen Diamantenklunkern drauf stand. Und dann ging’s ziemlich ab und auch um was: Nämlich um bitches, die police und weed. Alle diese Themen wurden – möchte ich mit ganz viel Vorsicht sagen – von Snoop Dogg nicht so richtig aus einer reflektierten sozialkritischen Perspektive behandelt: Die police war motherfucking, weed war smooth, bitches waren beautiful.

Naturgemäß sollte das politisch hochkorrekte Norwegen deshalb mit dem fleischgewordenen Gangstaklischee ordentlich fremdeln. Wie ich in einer langweiligen Kultureinführung für Austauschstudenten gelernt habe, wohnt hier auch König Harald gerne mal in einer Hütte ohne fließend Wasser. Der arme Harald hat auch kein diamantenes Mikrofon oder ein ähnliches Zepter mit seinem Namen drauf. Der kauft sich vielleicht alle zehn Jahre mal ein neues Leinenhemd und wird dafür dann wochenlang von der norwegischen Boulevardpresse wegen seines ausschweifenden Lebensstils niedergemacht.


...was unterscheidet Harald nur von einem Snoop Dogg Millionaire?



Auch ist „motherfucking“ nicht unbedingt das erste Wort, das ich mit der norwegischen Polizei assoziieren würde: Bei einer außer Kontrolle geratener Austauschstudentenfeier mahnte ein Polizist zurückhaltend und verschwand wieder als wäre nix gewesen. Weedkonsum ist in Norwegen auch nicht so smooth oder anderweitig angesagt:„Drogen gehen gar nicht“ hätten die norwegischen Festivalbesucher vermutlich aus vollem Hals geschrien, wäre dieser nicht gerade von zwanzig Litern Wodka okkupiert gewesen.

Weil aber Snoop Dogg schon mal da war und alle Norweger ziemlich höflich betrunken waren – und vielleicht auch ein bisschen weil Snoop Doggs Mikrofon aller gleichmacherischer Bescheidenheit zum Trotz so schön blinkerte – machten die Norweger den Rapperzirkus doch ein bisschen mit und riefen leise „bitches“, manchmal auch verhalten „police“ . Nur das „motherfucking“ wurde eher so genuschelt verschluckt.

Und Snoop Dogg rappte über sein hartes Gangstaleben an der West Coast, während sich über der Masse schunkelnder Norweger (richtig tanzen können Norweger nicht, das ist so ein Nordeuropäer-Phänomen) ein wunderschön friedlicher Sternenhimmel auftat und man sich zwischen den schneebedeckten Bergspitzen wie auf einer Panoramapostkarte (die man nur für Oma kaufen würde, weil ziemlich kitschig) fühlte. Und während ein paar betrunkene Drittklässler fröhlich unter die Füße der schunkelnden Stampede kugelten, stand Evi stocknüchtern inmitten des angenehm absurden Spektakels und lächelte zufrieden in sich hinein.


Ich möchte zum Schluss noch etwas empfehlen und zwar die norwegische Band „Katzenjammer“, die beim Dögnvill Festival auftrat. Ich empfehle explizit die Lieder „Demon Kitty Rag“ und „A Bar in Amsterdam“. Wer keinen abgefahrenen Gipsy-Folk-Pop-Indie-Blues-Clash und keine selbstbewusste Frauen mag, der darf sich das aber nicht anhören. Wer keinen abgefahreren Gipsy-Folk-Pop-Indie-Blues-Clash und keine selbstbewusste Frauen mag, der soll aufhören, meinen Blog zu lesen und sich schleichen!


Seid ihr auch manchmal nicht mit der Wirklichkeit vereinbar - wenn ja, wann? Welche Süßigkeit ist für euch ein kulinarischer KIK-Markt? Sollte man abwegige Gedanken pflegen oder zähmen?

5 Kommentare:

  1. Wenn man "Eva I Norge" googlet, dann bist du der erste Treffer.
    Auch hier gibt es schokolade mit Salmiak:
    Kennst du das Salmi vom Wei(h)nachstmarkt (sieht aus wie ein mit Schokolade überzogenes Eis am Stiel, innen mit hartem Salmiak, schmeckt schrecklich und man verliert sicherlich die Eckzähne beim Renbbeißen)?
    Ekliger finde ich aber die Idee des Knoblaucheises, Victor beteuert, dass es eine Kette in Japan gibt die das herstellt. Es hat den charmanten Namen "dracula". Auch das gehört in die KIk- Einkafstüte!

    AntwortenLöschen
  2. Ich find den Rybak ja ganz putzig.

    AntwortenLöschen
  3. Ja, Alexander Rybak ist doch sympathisch!

    AntwortenLöschen
  4. "Mehr" schrie der kleine Häwelmann, "mehr"!

    etwa: warum waren am letzten Sonntag die staatlichen Abfüllstationer für alles Spiritistische i Norge lukket?

    AntwortenLöschen

Follower